Schlagwort: Gorillas

»Ich bin kein Richter«

Berlin: Hubertus Heil absolviert Wahlkampfauftritt bei Gorillas-Belegschaft.

Der Medienandrang war groß, als Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag die Beschäftigten des Lebensmittellieferdienstes Gorillas in Berlin-Kreuzberg traf. »Woher kommt ihr?« war seine erste Frage an die überwiegend migrantische Belegschaft, bevor er sich für die Probleme der Beschäftigten interessierte. Und davon gibt es viele – von geringen Löhnen und fehlerhaften Abrechnungen über mangelhafte Arbeitskleidung, kaputte Fahrräder, die zu lange Probezeit und Kettenbefristungen bis hin zu aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen.

Arbeitskampf befristet

Seit Wochen streikt die Belegschaft des Lieferdienstes Gorillas. Doch eine gewerkschaftliche Anbindung ist so wünschenswert wie riskant.

Es war am 8./9. Februar, 9. Juni, 30. Juni, 8. Juli: Die Abstände der Streiks der Beschäftigten des Lebensmittellieferdienstes Gorillas werden immer kürzer. Das Besondere an ihrem Kampf ist nicht nur, dass sie das am schnellsten gewachsene deutsche Start-up bestreiken, sondern dass es in einem prekären Sektor überhaupt passiert.
Die junge, migrantische, befristet eingestellte Belegschaft streikt mit Betriebsblockaden für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Ohne dass es einen Aufruf einer Gewerkschaft gibt, ohne Tarifverhandlungen. Eigentlich ist das nach der restriktiven deutschen Rechtsprechung illegal. Mit ihren Streiks stellen sie das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft infrage. Welche Perspektiven hat der Kampf?

Wilder Streik bei »Gorillas«

Zum Ende seiner Schicht am Mittwoch morgen erwartete Santiago eine Frau auf dem Gehweg vor dem Lager des Lieferdienstes Gorillas am »Checkpoint Charly« in Berlin. »Ohne sich vorzustellen, teilte sie mir mit, dass ich mit sofortiger Wirkung entlassen sei«, sagte der Kurierfahrer gegenüber jW. So unerwartet wie die Entlassung war auch die Reaktion seiner Kollegen: Aus Protest legten sie spontan die Arbeit nieder. Keine drei Stunden später standen knapp 70 Gorillas-Beschäftige aus verschiedenen Schichten und Standorten vor dem Lager in der Charlottenstraße und forderten das Unternehmen auf, den Dienst einzustellen. Eine kurze Abstimmung per Handzeichen, und die Fahrräder wurden vor dem Lager zur Barrikade.