Corona – Arbeitskampf

„Es ist ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt.“

Angela Merkel
Trübe Aussichten
Ein 160 Nanometer kleines Virus brachte die Welt zum Stillstand. Ein Stillstand, der Menschenleben rettet und doch Existenzen bedroht.
Seebrücke Ahlbeck, Usedom, 9.5.2020

„Es ist ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt.“

Angela Merkel
Im Schatten des Shutdowns
Unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung starteten Prostitutionsgegner*innen parteiübergreifend eine Initiative zum Verbot von Sexarbeit. Verschwinden wird das Geschäft mit der Prostitution dadurch nicht. Nur unsichtbarer wird es gemacht. In eine kriminelle Schattenwirtschaft gedrängt.
Bordell in der Herbertstraße, Hamburg, 9.7.2020
(Konkurrenz-) Kampf gegen Corona
Intensives Testen ist ein wichtiges Mittel, um die Verbreitung der Pandemie zu kontrollieren. Und ein großes Geschäft. Biotech-Firmen verdoppelten teilweise ihren Gesamtgewinn durch den Verkauf von Covid-19-Tests. Um die Milliardengewinne, die ein Impfstoff bringen würde, konkurrieren weltweit 120 Firmen. Während die Hersteller der Waffen gegen Corona das Geschäft ihres Lebens machen, setzen täglich Tausende Freiwillige ihre Gesundheit aufs Spiel, um wie hier Abstriche für Covid-19-Tests zu ermöglichen.
Drive-In-Coronatest, Fliegerhorst Gütersloh, 26.6.2020
Geisterstunde
Zum rasanten Aufstieg der Berliner Tourismusindustrie trug die große Clubkultur bei. Seit einigen Jahren schon werden die Clubs jedoch zum Opfer ihres eigenen Hypes. Sie mussten lukrativeren Geschäften und Hotels weichen. Nicht erst seit Corona ist vom Clubsterben die Rede, doch jetzt könnte das Virus zum Sargnagel vieler Lokale werden. „Bis Ende August haben wir mit Sicherheit geschlossen“, sagt Holger Meier, Mitglied des Betreiberkollektivs des Clubs „Mensch Meier“. Lange sind sie unter keinen Rettungsschirm gekommen. Mit knapp über 10 Mitarbeitern waren sie zu groß für die 15.000 € Soforthilfe der Stadt und als Club profitierten sie auch nicht von Subventionen für Kulturbetriebe. „Wenn keine Hilfen vom Staat kommen, ist da für uns kein Land in Sicht. Um die laufenden Kosten bis Ende August zahlen zu können, brauchen wir weit über 100.000 Euro.“
„Tod denen, die versuchen, sich zu bereichern an den Andern“, schreit die Band „Vizediktator“ in den leeren Saal. Ein Geisterkonzert. Die einzige Zuschauerin: eine Kamera. „Denn nur der Tod hält, was er verspricht.“

Streaming-Konzert, Club „Mensch Meier“, Berlin, 22.4.2020
Traumschiff
Die gelben Quarantäneflaggen gehisst, irrten viele Kreuzfahrtschiffe wochenlang über die Meere. Aus Angst, die Passagiere könnten die Seuche an Land bringen, verweigerten viele Länder das Einlaufen der Vergnügungsschiffe in ihre Häfen. In vielen Fällen konnte erst durch diplomatische Bemühungen des Außenministeriums die Landung und der Rücktransport der Reisegäste nach Deutschland erwirkt werden. Für die 100.000 Matrosen und Maschinisten, Köchinnen und Kellner, Entertainerinnen und Putzkräfte deutscher Kreuzfahrtreedereien gab es jedoch keinen vergleichbaren Einsatz. Monatelang saßen die Crews auf den Kähnen fest. Wegen einer Kettenquarantäne oder Reiseeinschränkungen. Im Fall es Kreuzfahrers „Mein Schiff 3“, auf dem 2900 Besatzungsmitglieder festgehalten wurden, startete TUI erst Rückführaktionen der Crew in firmeneigenen Flugzeugen, nachdem es zu Aufständen auf dem Schiff gekommen war. Um Liegekosten im Hafen zu sparen, ankerten viele Kreuzfahrtschiffe auf hoher See. Schlechtes Essen und überteuerte Zigaretten spitzten die Konflikte noch weiter zu. Während des Lockdowns kam es zu mehreren Selbstmorden von Crew-Mitgliedern. Um die Stimmung zu befrieden und die Politik um Hilfe zu bitten, unterstützen Reedereien im Hamburger Hafen dieses Mini-Konzert für die eingeschlossenen Crews.
Corona-Port-Concerts, Hamburger Hafen, 5.7.2020
Auf zu neuen Höhenflügen
„Die Lufthansa nutzt die Corona-Krise schamlos für ihren Konzernumbau aus, gegen den wir seit Jahren kämpfen.“ Flugbegleiter Maximilian Kampka ist wütend. Wie andere Lufthansa-Töchter arbeitet seine Airline Germanwings nur noch als Subunternehmen für die Eurowings. „Sie lassen ihre eigenen Töchter miteinander konkurrieren, um die Löhne zu drücken. Trotzdem haben wir bei der Germanwings noch relativ gute Arbeitsbedingungen halten können. Dafür mussten wir aber hart kämpfen.“ Am letzten Streik zur Jahreswende beteiligten sich 95 % der Flugbegleiter*innen. „Deshalb nutzt der Konzern jetzt den Stillstand, um uns über die Klinge springen zu lassen.“ Letztendlich kaufte der Staat den Lufthansa-Konzern zu einen vielfachen des Marktwertes. Auf Druck der Privataktionäre verzichtete der Staat weitestgehend auf eine Mitbestimmung als Mehrheitseigentümer, um den Angriffen auf die Belegschaft freien Lauf zu lassen. Maximilian blickt mit Sorge in die Zukunft. Die Krise könnte auch für seine Familie zu einem Drama werden. Er lebt bei seiner alleinstehenden Mutter und seinem minderjährigen Bruder, die gerade den Tod des Vaters betrauern. Mutter und Sohn fliegen seit Jahren für die Germanwings. Mit den zwei Gehältern können sie für die Familie eine geräumige Wohnung mieten. „Aber nur mit dem Arbeitslosengeld wird das schwierig.“
Flughafen Köln/Bonn, 21.4.2020
Aufgewirbelter Staub
Um den deutschen Spargel zu retten, reagierte die Bundesregierung schnell. Luftbrücken wurden eingerichtet, um die Wanderarbeiter*innen aus Osteuropa trotz geschlossener Grenzen auf die Äcker zu bringen. Der andere Teil der Verarbeitung, dass die Bauern Schutzmaßnahmen für die Gesundheit der Wanderarbeiter*innen ergreift, wurden jedoch selten eingehalten. Kontrollen, ob eine Einzelunterbringung gewährleistet wird, fanden kaum statt. Fehlende Lohnfortzahlung bei Krankheit führt dazu, dass auch mit Husten und Fieber bis zum Umkippen weiter geschuftet wird. „In Rumänien kursiert mittlerweile ein Sprichwort: Wenn du den Tod suchst, dann gehe nach Deutschland“, erzählt Bauer Ricken. Aus Angst seien fast nur die Brigade-Chefs gekommen. „Wenn das so weiter geht, habe ich hier bald hundert Häuptlinge, aber keine Indianer.“ Trotz der großen Gefahr, die mit der Arbeit in Coronazeiten verbunden ist, fallen die Löhne dieses Jahr geringer aus: Die Mehrkosten für Verpflegung, Unterkunft und Flugtransport wälzen die meisten Bauern mittels Lohnabzügen auf die Wanderarbeiter*innen ab. Damit die Erntehelfer nicht die Flucht ergreifen, werden ihnen auf einigen Höfen auch die Ausweise abgenommen. Auf etlichen Landwirtschaften traten Arbeiter*innen erstmals gegen diese traditionsreichen Menschenhändler-Methoden in den Streik. Auch auf dem Hof Ricken kam es wegen der hohen Lohnabzüge und den Hygienebedingungen zu Arbeitsniederlegungen.
Herr Ricken betont jedoch, dass er sich persönlich um die Einhaltung der Hygienevorschriften kümmere: „Ich erzähle ihnen immer, sie sollen beim Händewaschen zweimal Happy Birthday singen oder ein Ave Maria und ein Gelobt seist du Gott beten.“

Hof Ricken, Lausitz, 8.4.2020